In der aktuellem Corona-Krise kann die Wirtschaft auf verschiedene staatliche Hilfsprogramme zurückgreifen. Meist gelten diese allerdings nicht für Unternehmen, die sich vor dem Stichtag des 31. Dezember 2019 bereits “in Schwierigkeiten” befanden. Was bedeutet dies konkret?
Die Definition gilt bei den meisten Staatshilfen und Darlehen in der Corona-Krise. Ziel dieser Maßnahme ist, das der Staat vermeiden möchte, dass Unternehmen, die bereits vor Ausbruch der Krise kein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen konnten, staatliche Corona-Hilfen erhalten.
Trotz zahlreicher Anpassungen der letzten Wochen, gibt es immer noch Interpretationsspielraum bei Unternehmen und Banken. Dies liegt auch daran, dass eine klare Bestimmung, ab wann ein Unternehmen als in Schwierigkeiten gilt, nicht immer einfach. Generell gilt hier die EU-Definition (Amtsblatt der EU 2014/C 249/01 vom 31.07.2014) bzw. der Verordnung Nummer 651/2014 der Kommission (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, Amtsblatt der EU L 181/1 vom 26.06.2014).
Wann befindet sich ein Unternehmen “in Schwierigkeiten” laut EU-Definition?
Nach der EU-Definition ist ein Unternehmen “in Schwierigkeiten”, wenn es mindestens eine der fünf folgenden Voraussetzungen erfüllt:
zu 1)
Im Falle einer Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH oder AG) muss mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen sein. Das ist der Fall, wenn nach Abzug der Verluste von den Rücklagen und allen sonstigen Elementen, die im Allgemeinen den Eigenmitteln des Unternehmens zugerechnet werden, ein negativer Betrag steht, der mehr als der Hälfte des Stammkapitals entspricht.
zu 2)
In Gesellschaften, in denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt haften (z.B. OHG oder KG), muss mehr als die Hälfte der in den Büchern ausgewiesenen Mitteln durch aufgelaufene Verluste verlorengegangen sein.
zu 3)
Das Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder erfüllt die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger.
zu 4)
Das Unternehmen hat eine Rettungsbeihilfe erhalten und hat den Kredit noch nicht zurückgezahlt oder die Garantie läuft noch oder das Unternehmen hat eine Umstrukturierungsbeihilfe erhalten und unterliegt einem Umstrukturierungsplan.
zu 5)
Bei Unternehmen, die nicht als kleine und mittelständische Unternehmen gelten (KMU), liegt der Verschuldungsgrad über 7,5 und das Verhältnis der Gewinne vor allen Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) liegt unter 1,0.
Ausnahmen / Sonderstellung kleiner und mittelständischer Unternehmen
Neu gegründete kleine und mittelständische Unternehmen werden in den ersten drei Jahren grundsätzlich nicht als Unternehmen “in Schwierigkeiten” bewertet. Das gilt dann nicht, wenn über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder das Unternehmen die Voraussetzungen für den Insolvenzantrag durch einen Gläubiger erfüllt.
Was bedeutet das für die gewählte Gesellschaftsform?
Kapitalgesellschaften
In Kapitalgesellschaften können Sie Rücklagen und Sonderposten mit Rücklageanteil dem Eigenkapital zurechnen. Gleiches gilt für eigenkapitalersetzende Mittel, wie beispielsweise Gesellschafterdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt.
Stille Reserven können grundsätzlich berücksichtigt werden. In diesem Fall erfolgt die Bewertung allerdings unter Ansatz von Liquidationswerten unter Berücksichtigung der stillen Reserven.
Kommanditgesellschaften, Offene Handelsgesellschaften & Gesellschaften bürgerlichen Rechts
Grundsätzlich gelten hier die gleichen Bestimmungen wie bei Kapitalgesellschaften, wenn eine Buchführungspflicht (nach §§ 238 ff.HGB) besteht.
Dabei stellt man auf die in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel ab.
Einzelkaufleute und Einzelunternehmen
Bei Einzelkaufleuten und Einzelunternehmern ist nur zu prüfen, ob eine Insolvenz vorliegt oder eine Insolvenzantragspflicht besteht.
Ansonsten sollte eine unternehmensbezogene Betrachtung erfolgen.
Dabei können Einzelkaufleute mehrere Unternehmen unterhalten. Jeweilige unternehmensbezogene Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten müssen berücksichtigt werden. Nicht zu berücksichtigen sind private Vermögen, private Verbindlichkeiten und mit dem Handelsgewerbe nicht in Verbindung stehende Vermietungen und Verpachtungen.
Welche Rolle spielt die Insolvenzantragspflicht für die Beurteilung, ob ein Unternehmen als “in Schwierigkeiten” gilt?
Die Beurteilung, ob ein Unternehmen als “in Schwierigkeiten” bewertet wird, erfolgt zum Stichtag des 31. Dezember 2019. Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht gilt ab dem ersten März 2020 und ist damit unerheblich. Grundsätzlich heißt das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht nicht, dass keinerlei Insolvenzantragspflicht besteht, da nachgewiesen werden muss, dass der Insolvenzgrund ausschließlich in der Corona-Pandemie begründet ist. Eine endgültige Aussage über die Insolvenzantragspflicht, wird wahrscheinlich erst nach entsprechender Rechtsprechung getroffen werden können.
Eigene Einschätzung der Phalanx – Veränderungsexperten
In vielen Fällen fällt es schwer zu beurteilen, ob das Unternehmen sich in Schwierigkeiten befindet. In diesem Fall bedarf es einer genauen Analyse aller vorliegenden Daten.
Da eine Prüfung in der Corona-Krise im Regelfall auf den 31.12.2019 zu erfolgen hat, sollte auf jeden Fall der Jahresabschluss zum 31.12.2019 schnellstmöglich fertiggestellt werden.
Das gilt umso mehr, wenn die Bewertung, ob es sich bei Ihrem um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, grenzwertig ist. Zumindest sollte ein plausibler vorläufiger Abschluss bestehen, der keinen Raum für wesentliche offene Fragen lässt.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Einschätzung, der Beantragung und der Sanierung Ihres Unternehmens. Sprechen Sie gerne die Veränderungsexperten an.